Roadtrip Teil 3
Über Hotdogs, Wein und glitschige Felsen
Angeln kaufen. Ja wäre es doch so einfach. Wir kaufen drei Angeln und der Urlaub ist perfekt. Leider ist es nicht so. Ich bin auch nicht der Typ, der in einem Beitrag über einen Roadtrip nur gute Laune verbreitet. Also um es vorweg zu nehmen, Norwegen war nicht so, wie wir es uns vorgestellt hatten. Vielleicht sind wir aber auch ein wenig zu blauäugig in das Abenteuer gestartet und hatten auch einfach mal Pech mit dem Wetter.
Schlussendlich hatten wir in Norwegen nicht einen einzigen Tag an dem es weniger als eine Stunde geregnet hat. Und da spreche ich nur vom Tag – nicht von der Nacht. Da hat es noch mehr geregnet.
Aber – wie immer – fangen wir mal von vorn an. Norwegen ist landschaftlich gesehen einfach atemberaubend. Unsere erste Nacht verbrachten wir ja schon sehr südlich. Am nächsten Tag ging es noch ein wenig südlicher – zum Leuchtturm Lindesnes fyr. Den südlichsten Punkt des Festlandes. Natürlich wie das so ist, bei Touristenattraktionen wird erstmal kräftig zur Kasse gebeten. Da haben wir uns dann kurzfristig entschieden den Leuchtturm nur aus der Ferne zu betrachten. Auch schön. Stattdessen haben wir noch schnell ein paar Nudeln gekocht, unseren Rucksack gepackt, und sind dann auf die Felsen geklettert und haben die Aussicht genossen.
Und dann, ja dann ging es tatsächlich Angeln kaufen. Gleich drei Stück. Zwei für die Kinder und eine für uns. Auf dem Weg nach Dänemark, war unser Freund Casper mit uns mit dem Boot rausgefahren und so wussten wir ungefähr, was wir zu kaufen hatten. Noch vor dem Abendbrot haben wir eine der Angeln zusammengebaut und sind voller Tatendrang mit Milli losgezogen. Mit leeren Händen kamen wir eine halbe Stunde später zurück. War wohl ein Fjord ohne Fische. Ich sage euch – da gibts sehr viele in Norwegen. Ganz konnte ich das natürlich nicht auf mir sitzen lassen und habe Abends die zweite Angel zusammengebaut. Beäugt von scheinbar unbedarften Nordseenasen bin ich noch nicht mal bis zum ersten Wurf gekommen. „Ich hab keine Ahnung von Angeln“ rief es mir auf die Frage zu, ob ich das denn richtig machen würde. Wenig später holte seine Frau seinen Angelkoffer, dreimal so groß wie meiner und dazu randvoll gefüllt. „Das ist das Notbesteck“. Jaja. Fachgerecht machte sich Norbert an die Arbeit und schnitt erstmal alles ab, was ich vorher mühsam an die Angel gebastelt hatte. Ungefähr 15 Minuten später landete die Angel dann mit einem Wurm aus der Retorte im Wasser. Nochmal 30 Minuten später holte ich sie ohne Fisch wieder ein. Sind wohl wirklich keine Fische in dem Fjord gewesen.
Am nächsten Tag sollte ich da schon mehr Erfolg haben. Schließlich war es Marys Geburtstag. Wir schenken uns zu Geburtstagen eigentlich nicht viel. Und so war alles, was Mary sich wünschte, ein Fisch. Dein Wunsch sei mir Befehl meine Liebe. Zum Mittag biss eine Bachforelle an meine Angel. Ich denke, dass ich einen Fisch gefangen hatte, wusste später das halbe Dorf. Ich war schon sehr euphorisch. Den Rest erledigte Milli. „Mama, Mama, Mama, Papa hat ein Fisch geangelt, es gibt Fisch zum Mittag“. Gut, die Kohle auf dem Grill war inzwischen abgekühlt. Die Hotdogs waren ja auch schon längst verspeist. Hotdogs sowieso die einzige Form von Fleisch, die man sich in Norwegen leisten will. Ich sag nur – 8 Scheiben regionaler Schinken für knapp 28€. Also verschieben wir den Fisch auf später.
So machten wir uns auf die Suche nach ein wenig Romantik zum Geburtstag. Ein einsamer Platz, wo niemand sonst ist. Irgendwo einfach mal reinfahren. Pustekuchen. Merkt euch eins – in Norwegen steht an jedem Ende auch jeder noch so kleinen Straße ein Haus. Und zu 99% ist es bewohnt. Jedermannsrecht gut und schön, aber doch bitte nur – wie eigentlich gedacht – zu Fuß und mit Zelt. Mit nem Jeep hat man vielleicht ab und an eine Chance. Mit dem Camper nicht. Das sollten wir in den nächsten Tagen noch öfters lernen. Aber so frustrierend die Suche nach abgelegenen Übernachtungsplätzen auch ist, so toll sind die Entdeckungen, die die Natur bietet. In diesem Fall war es ein Flussbett aus Felsen. Glitschigen Felsen. Wir haben spontan Halt gemacht und das Abendbrot etwas vorverlegt. Aber erst nach einem erfrischenden Bad mit den Kindern. Selten hatten wir eine so schöne Aussicht in der Wanne. Aber auch selten stellen wir die Temperatur auf gefühlte 5 Grad.
Gut gesättigt, frisch gewaschen und doch etwas enttäuscht keinen Übernachtungsplatz gefunden zu haben, fuhren wieder auf die Landstraße. Aber nur wenig später lachte uns abseits der Straße ein wunderschöner, und erstaunlicher Weise, wenig besuchter Campingplatz an. Super ausgestattet, direkt am Fluss und mit einer Grillecke. Standesgemäß für den ersten Fang. So machten wir ein kleines Feuerchen für unsere Bachforelle. In der Romantik des Feuers wünschte sich Mary eine Flasche Wein. Wir trinken nie Wein. Aber ich machte mich auf an die Rezeption zu Karin, der Besitzerin. Da wird’s schon Wein geben, dachte ich mir. Fehlanzeige. Alles. Aber keine Wein. Blumig, wie meine Erklärungen oft ausfallen, schilderte ich Karin die Situation mit der Forelle, dem Feuer und Marys Geburtstag, als sich ein Gast aus Karins Blockhütte meldete. Er hätte noch einen Wein. Ich dachte mir super – 200 Kronen hab ich dabei. Kauf ich ihm den Wein ab. Aber ich würde bitterlich enttäuscht. Mein Geld wollte er nicht haben. Er bestand darauf uns die Flasche als Geschenk für Mary zu überlassen. Ich war überwältigt. Ich bin es jetzt immer noch. So genossen wir wenig später einen lieblichen Weißwein und zarte Bachforelle. Ein wunderschöner Abend am Feuer mit den Kindern. Ich denke, dass ist es, was Norwegen eigentlich ausmacht.
Wir blieben noch einen Tag zum Angeln an dem Platz. Und tatsächlich gab es am nächsten Tag noch drei Bachforellen. Aber ihr wisst – ich nehme Dinge gern vorweg. Es waren die letzten drei Fische, die wir auf unserem Roadtrip angeln sollten.
Die nächsten Tage hangelten wir uns weiter durch Norwegen. Von einem Fjord zum Nächsten. Von einem Campingplatz zum Nächsten. Jeden Tag und jede Nacht mit Regen. Irgendwann macht einen das etwas müde. So entschieden wir uns bereits nach einer Woche die Fähre für die Rückfahrt zu buchen. Klar hatten wir auch jeden Tag irgendwo ein paar Minuten Sonne und auch tagsüber findet man immer wieder tolle Plätze. Aber man kommt nicht recht zur Ruhe. Und wir sind auch nicht so recht zum spazieren gekommen. Norwegen ist viel klettern und die Berge hoch kraxeln. Für unsere kleinen Mäuse mit ihren 3 und 5 Jahren sind 6-Stunden-Wanderungen einfach zu viel. Da fehlt uns die Übung. Es ist also eine Kombination aus allem. Gepaart mit der eingangs schon angesprochenen Blauäugigkeit. Wir haben uns mit dieser Entscheidung ein wenig schwer getan, aber irgendwie war es auch eine Erleichterung. Sich einzugestehen – es soll einfach nicht sein.
Nun waren also die Stunden gezählt und wir standen in der Nähe von Bergen in Eidfjord. Wir hatten die Wahl uns Bergen anzuschauen und dann am Meer wieder zurück zu fahren oder ein Stück Richtung Oslo und dann in den Süden. Weniger Fjorde, mehr Hochebenen. Am Ende entschieden wir uns genau dafür. Und diese Entscheidung war goldrichtig. Keine halbe Stunde Fahrtweg in Richtung Westen und wir waren bei den Vøringfossen, einem atemberaubenden Wasserfall. Ein Spektakel, was in Europa sicher seines gleichen sucht.
Von da aus ging es bis Geilo Richtung Westen. Und ja, der Ort heißt wirklich so. Eigentlich wollte ich ein Foto mit mir und dem Ortseingangsschild. Aber da wir uns irgendwo auf 1200 Metern entschieden hatten, eine arme norwegische Tramperin mitzunehmen und sie ins Dunkle zu unseren schlafenden Kindern zu setzen, haben wir das irgendwie verpasst. Am Ortsausgang wartete leider kein Schild auf mich. Shit happens. Ab Geilo ging es dann südlich zum Gaustatoppen. Angekommen auf dem knapp 1200 Meter hohen Stellplatz schwand meine Hoffnung aber recht schnell auf eine Wanderung auf den Berg selbst. Ein netter Österreicher berichtete uns, dass er am nächsten Tag mit seinen fünf Kindern da hoch möchte. Die Kleinste war ein Jahr und die nächstgrößeren Geschwister vier Jahre. Wandern mit Kleinkindern – muss also doch gehen, dachte ich mir, als er meine Gedanken jäh durchkreuzte mit dem Nebensatz „wir planen so um 10 zu starten und werden gegen 18Uhr wohl wieder unten sein“. Ah ok, muss ja auch nicht sein. Wandern wird überbewertet. Gott sei Dank zogen die Wolken auf. „Da wird man da oben eh nix sehen“ – dachte ich mir. Eine Woche später sollte ich mich da noch eines Besseren belehren lassen. Aber es war tatsächlich unsere erste Nacht in Norwegen ohne Campingplatz. Irgendwie schön. Einen kurzen Moment sehnte Mary sich nach einem Zelt. In mir weckte es auch ein wenig Sehnsucht nach noch mehr Freiheit. Dann fing es an zu regnen.
Wir wanderten natürlich nicht auf den Berg. Viel zu anstrengend. Es blieben uns noch zwei Tage und knapp 300km bis Kristiansand. So machten wir uns weiter auf den Weg Richtung Süden. Und plötzlich geschah es doch noch. Hinter einem Fjord sah es nach einer ruhigen Straße ohne Häuser aus. Also setzten wir den Blinker und bogen auf den Lehmweg ab. Und da war er. Direkt am Wasser. Ablegen. Zwei Häuser in ungefähr 200 Meter Entfernung. Fast nicht zu glauben. Der perfekte Platz. Die Abfahrt war ein wenig steil, aber was riskiert man nicht alles am vorletzten Tag.
Da war sie nun. Die erhoffte Romantik. Einsam an einem Fjord. Niemand außer uns. Abends im Campingstuhl, die Angel ausgeworfen. Stille, nur ein paar zirpende Grillen und Fische, die an der Angel vorbei schwimmen und nach Mücken schnappen. Ach, Norwegen ist doch toll.
Die anderen Teile unseres Skandinavienroadtrips noch nicht gelesen? Dann aber schnell – hier Überblick:
Teil 1 // Über Roadtrips und neue Freiheiten
Teil 2 // Schluss mit Romantik
Teil 3 // Über Hotdogs, Wein und glitschige Felsen
Teil 4 // Die Karawane zieht weiter
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