Die Karawane zieht weiter
Letzter Teil unseres Roadtrips durch den Norden Europas
Nein. Ihr müsst euch keine Sorgen machen. Wir sind nicht in Norwegen verschollen. Inzwischen sind wir wieder zuhause in der sonnigen Oberlausitz gelandet. Aber ich möchte euch natürlich nicht vorenthalten, was wir auf unserem letzten großen Roadtrip des Jahres noch so erlebt haben.
Über den versöhnlichen Abschluss in Norwegen habe ich euch ja im letzten Teil schon berichtet. Ich denke, die letzten Nächte mit etwas mehr Einsamkeit an den tollen Plätzen waren sehr wichtig, dass uns Norwegen nicht ganz verschreckt hat. Wir haben einiges gelernt und werden auf jeden Fall wieder kommen. Aber nicht mit einem Camper. Das nächste mal muss es mehr Abenteuer sein. Mit etwas mehr Geländegängigkeit. Seit unserem Roadtrip in Frankreich träume ich von einem Defender mit Dachzelt. Mal schauen, ob das klappt. Wir wissen nun auf jeden Fall, dass man etwas mehr Bergsteiger-Gen benötigt und auch die dazugehörige Ausdauer. Und das ein solcher Trip auch etwas besser durchgeplant sein sollte. Nicht unbedingt Tag für Tag, aber man sollte sich vorher schon eine ungefähre Route überlegen und schauen, wie man seine Wochen in dieser Traumlandschaft abwechslungsreich gestalten kann. Und das wohl Wichtigste – das nächste mal werden wir nicht im Süden starten, sondern in Bergen und von da aus weiter nach oben fahren. Dort soll es dann doch etwas ruhiger sein. Abgeschiedener. Das ist nun mal das, was man in Skandinavien sucht. Zumindest in meiner Vorstellung.
Nach 10 Tagen Norwegen ging es nun mit der Hoffnung auf viel Sonne wieder Richtung Dänemark. Die Fährüberfahrt war schon mal sehr verheißungsvoll, Dänemark schien sich gut auf uns vorbereitet zu haben. Die nächsten Tage wollten wir den Norden Dänemarks etwas erkunden und suchten uns einen Stellplatz in der Nähe. In Hjørring wurden wir fündig. Ein ganz bezaubernder Stellplatz gesäumt von hunderten Sonnenblumen. Das hat schon etwas romantisches. Nach den Abendbrot ging ich mit Sammy ein wenig die Gegend erkunden. Ich mag es ja, wenn an warmen Tagen der Dampf nach einem Regenschauer von den Straßen aufsteigt.
Wieder zurück am Stellplatz traf ich Jørgen, den Hausherren. Nicht ganz so ein Original wie Wolfgang, aber mindestens genauso herzlich. Er selbst war mit seiner Frau gerade vor zwei Stunden von einem 2-wöchigen Campingausflug wiedergekehrt. Sie waren in Magdeburg, Dresden und im Spreewald. Schon verrückt, wie sich Wege manchmal kreuzen können. Wir unterhielten uns die nächsten 2 Stunden in mitten der vielen Sonnenblumen. Er zeigte mir seine kleine Aroniaplantage und die 40 Obstbäume hinter den Feldern voller Möhren, Kartoffeln, Salaten und was das Herz noch so begehrt. Wenn man so etwas sieht, fragt man sich schon ein wenig, warum machen das nicht mehr Menschen. Warum ziehen so wenige ihr eigenes Gemüse. Warum steckt in den meisten so wenig Jørgen? Hat gerade jemand einen Bauernhof zu verschenken? Wir nehmen ihn.
Den nächsten Vormittag gingen wir ganz ruhig an, ein Camper nach dem anderen verließ den Platz, als plötzlich Jørgens Tochter vor uns stand und anbot das Lego für die Kinder zu holen. Sie hätte da eine Kiste. Natürlich, wir sind in Dänemark, dem Land von Lego. Sie brachte die Kiste – eine von insgesamt sechs. Genug Lego für ein ganzen Monat.
Derweil gab uns Jørgen den entscheidenen Reisetip für den Nachmittag. Nach dem Mittagsschlaf machten wir uns dann genau dahin auf den Weg – zum Leuchtturm von Lønstrup. Bei blauen Himmel und einer leichten Brise packten wir den Rucksack und machten uns bereit für die anderthalb Kilometer Fussmarsch zum Leuchtturm. Der Leuchtturm steht mitten in einer Wanderdüne, geformt durch den Wind der Nordsee, rau, karg und wunderschön. Es ist verrückt, wie viele Flecken dieser Welt scheinbar gleich sind und dann doch so unterschiedlich sein können.
Am nächsten Tag zog die Karawane weiter. Die Insel Møn sollte unser nächstes großes Ziel sein. Eine Insel – wie kommt man da drauf? Gibts da ne Straße? Fähre? Brücke? Ach, das Navi wird’s schon richten. Schließlich haben wir dem in Norwegen ja bereits beigebracht, dass es Fähren bitte vermeiden solle. Gesagt, getan und losgefahren. Selbst nach anderthalb Wochen Norwegen ist es ein Genuss über die flachen Straßen zu fahren. Schon alleine deswegen habe ich Norwegen in dem Moment geliebt. Die Liebe verflog dann aber schnell wieder. Wir fuhren über Storebælt Brücke – ein wirklich eindrucksvolles Bauwerk. Insgesamt 18km lang und gefühlte 150m Hoch. Unser Navi meinte es seien 125m Höhe. Tatsächlich sind es wohl um die 65m beim längsten freihängenden Teilstück von 1,6km! Dann kam die Mautstation. Es zeigte mir den Preis an, im selben Moment steckte ich die Kreditkarte in den Schlitz. Erst dann laß ich den Preis. Knapp 100€. Ich suchte einen Knopf zum Abbrechen – in dem Moment kam schon die Quittung – Tak for din betaling – Du kannst mich mal. Da hatte uns der Automat mal schön um 50€ behumpst und ich hab geschlafen. Da ist wohl ausgleichende Gerechtigkeit – schließlich haben wir im Frühjahr die Mautstationen in Frankreich mit einen simplen – „excusez moi, Campingcar class deux“ auch fast um die Hälfte ihrer Einnahmen gebracht.
Am Abend machten wir einen Zwischenstopp in Præstø. Hier erwartete uns ein wunderschönes Schauspiel aus untergehender Sonne und dunkelsten Regenwolken. Hach – Regen ist schon was schönes. Aber schon am nächsten Tag lachte uns die Sonne wieder entgegen und wir machten uns auf den Weg nach Møns Klint zu den Kreidefelsen. Ein gar bezaubernder Ort. Mit vielen Menschen. Sehr vielen Menschen. Wir schnappten unsere Decke und den leckersten Kuchen der ganzen Reise und machten uns auf zum Abstieg ans Meer. So viele Stufen hatten wir nicht erwartet, aber da mussten wir nun durch. Durch die Menschentraube am Ende der Treppe erstmal durchgewühlt, stellte sich dann schon eher ein lohnendes Gefühl ein.
Wie schon in Norwegen, so hatten wir auch in Dänemark für die letzten beiden Nächte ein ganz bezauberndes Plätzchen. Abseits von Stubbekøbing gibt es einen ruhigen Stellplatz an einem kleinen verlassenen Hafen. Der passende Ort um seelenruhig zu spazieren, zu grillen und auch um das erste mal im Meer zu baden. Nach zusammengerechnet knapp 11 Wochen Roadtripping an den tollsten Flecken Europas – nach zwei mal Mittelmeer, Atlantik und Nordsee war es am Ende die Ostsee, in der wir als einziges baden sollten. Das hätte ich vorher auch nicht wirklich erwartet.
Das war er also – unser letzter großer Roadtrip mit dem Camper. Mit etwas Abstand und Sonne im Nacken betrachtet, war auch Dieser eine tolle Erfahrung. Er war anders als erwartet, aber definitiv würde ich ihn nicht missen wollen. Es gab auf all den Trips auch nur wenige Momente, die ich aus meinem Gedächtnis gern streichen würde. Größere Pannen blieben uns erspart und auch über Überfälle haben wir uns nicht ärgern müssen. Letztendlich war es also nur ein großes Abenteuer mit den Menschen, die mir die Liebsten im Leben sind. Und das ist es worauf es ankommt. Die Familie.
Nochmal alle 4 Teile im Überblick:
Teil 1 // Über Roadtrips und neue Freiheiten
Teil 2 // Schluss mit Romantik
Teil 3 // Über Hotdogs, Wein und glitschige Felsen
Teil 4 // Die Karawane zieht weiter
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